Am gestrigen Donnerstag gastierte unser Präsident Wolfgang Dietrich auf Einladung der Schwäbischen Zeitung in der ehemaligen Herrschaftszentrale des Anton Schlecker zu Ehingen, um im Rahmen einer Podiumsdiskussion das Für und Wider einer eventuellen Ausgliederung der Profifußballabteilung des VfB Stuttgart zu erörtern.

Ich will Euch werte Leserschaft meine Eindrücke dieser Podiumsdiskussion schildern und auch ein wenig wie ich die momentane Diskussion insbesondere unter den Mitgliedern wahrnehme. Dauerhafte Leser meiner spärlichen Kommentare wissen sicherlich, dass ich der Ausgliederung eher skeptisch als euphorisch gesinnt bin, dass ich aber durchaus nicht per se gegen eine Ausgliederung an sich, sondern eher gegen eine Ausgliederung mit unwägbaren, da für mich nicht verständlich dargestellten Konsequenzen bin. Daher nutzte ich diese Gelegenheit der Podiumsdiskussion, um mir die vermeintlichen Argumente des Für und Wider einer Ausgliederung zum Wohle unseres Vereins zu Gemüte zu führen. Daher versuche ich an den meisten Stellen ohne große Wertung einfach den Abend für mich und Euch, die ihr nicht dabei gewesen sein konntet, zusammenzufassen.
Der interessante Teil des Abends startete nach Speis und Trank mit einem Impulsvortrag von Herrn Dietrich. Herr Dietrich offenbarte zunächst, dass er diese Art der Podiumsdiskussion insbesondere nutzen wolle, um ein Gespür für die Basis zu bekommen und insbesondere dafür welche Fragen die Mitglieder zur Ausgliederung umtreiben und welche Kritik bzw. Ängste man gemeinsam diskutieren wolle und lud daher alle Teilnehmer zu einer offenen Diskussion im Anschluss an seinen Vortrag ein.
Herr Dietrich setzte seinen Vortrag dann mit einem kurzen Wrap Up der Historie unseres VfB seit 2007 fort. Quintessenz dabei war, dass es seit der Meisterschaft 2007 Stück für Stück mit dem VfB bergab ging und zudem insbesondere neue Player den Fußball als Markt entdeckt hätten (Konzerne, Gönner und Mäzene), wodurch sich eben die Strukturen und finanziellen Rahmenbedingungen der Bundesliga und insbesondere der Unterschiede einzelner Vereine innerhalb der Bundesliga erheblich geändert hätten. Herr Dietrich stellte ferner fest, dass sich (selbst wenn man die Bayern mal ausklammert, die eh auf einem anderen Stern stünden) diese Unterschiede zwischen den ersten 6 der Tabelle und dem Rest aufgrund des neunen Fernsehvertrages nochmals manifestieren werde. Herr Dietrich legte dar, dass schließlich in der Saison 2015/2016 der Etat der ersten 6 (ohne die Bayern) durchschnittlich bei etwa 80 Mio EUR gelegen habe. [Er sagte nicht, dass der Etat des VfB (nach meinem limitierten Kenntnisstand) in der Abstiegssaison auf Platz 7 oder 8 war und wir dennoch sportlich auf Platz 17 abgestiegen sind]. Herr Dietrich machte aber ferner deutlich, dass ihn persönlich am meisten der sportliche Niedergang unserer Jugendarbeit in den letzten Jahren beschäftige und insbesondere dass wir dabei fähige Leute (nicht nur Spieler, sondern auch Trainer, Scouts) an andere Vereine verloren hätten (insbesondere an RB Leipzig). Daher war für ihn seit Amtsantritt am 09.10.2016 klar, dass er den Verein, insbesondere seine Jugendarbeit, wieder in die Spitze führen will. Daraufhin hat man gemeinsam einen 4-Jahresplan erarbeitet, nachdem man wieder unter den ersten sechs der Bundesliga stehen will und festgestellt, dass man dafür eben einen Etat von 80-100 Mio EUR benötigen wird. Dann stellte sich die Frage, wie man dieses Geld beschaffen könne. Da Fußballvereine generell keine Bankkredite bekämen, sei eine Fremdfinanzierung bzw. eine Anschubfinanzierung auf Fremdkapitalbasis nicht möglich. Deswegen wurden nach reichlicher Überlegung aller Fakten, die Ausgliederung als die beste Option identifiziert, frisches Kapital zu beschaffen und man hat sich dann auf die Suche nach Ankerinvestoren gemacht und dabei mit Daimler nicht nur einen Investor, sondern einen strategischen Investor gefunden. Im Falle eines Aufstieges werden also 40 Mio EUR von Daimler an den VfB fließen und damit soll insbesondere in die Jugend, in die vorhandene, aber für zu alt befundene Infrastruktur („auf dem Platz hat schon Hansi Müller gekickt“) und der Kader unserer Mannschaft investiert werden. Insbesondere für den großen Fokus auf die Jugendarbeit, die mit der Ausgliederung und den entsprechenden Einnahmen aus- bzw. anfinanziert werden soll, erntete Herr Dietrich viel Beifall vom Publikum. Ferner machte Herr Dietrich klar, dass sich für die Mitglieder des Vereins VfB Stuttgart auch nach einer Ausgliederung nichts ändere und man „faktisch genau die gleichen Rechte habe wie vor einer Ausgliederung“.
Das Podium wurde dann noch durch Herrn Bernd Martin (ehemaliger Spieler des VfB in den 70er Jahren) und Herrn Michael Bochtler (ehemaliger Spieler der VfB in den 90er Jahren und aktuell Trainer in Ehingen) ergänzt, die sich dann mehr oder weniger elegant die verbalen Bälle hin und her schoben. Management summary hiervon war sicher, dass Bernd Martin überzeugt von den handelnden Personen ist und dass Michael Bochtler die Ausgliederung sofort unterschreibt, wenn das frische Kapital in die Jugend, Nachwuchstrainer, Infrastruktur und Plätze investiert werde.
Und dann kam der spannende Teil des Abends: Die von Herrn Dietrich zu Beginn seines Vortrags begrüßte Diskussion mit der Basis, insbesondere vor dem Hintergrund mit kritischen Stimmen auch gerne respektvoll zu diskutieren (obwohl die Kritiker im Impulsvortrag noch als irrational bezeichnet wurden). Naiverweise dachte ich, dass man ernsthaft in diesem Forum auf Augenhöhe diskutieren könne und meldete mich so schnell, wie sonst nur Florian Klein die Linie runter sprintet, und schwups war das Streitgespräch im Gange. Herr Dietrich wollte doch wissen, warum manche die Ausgliederung kritisch sehen, daher versuchte ich ihm meine Sicht der Dinge dafür näher zu bringen. Das war aber wohl so im Drehbuch nicht vorgesehen. Daher regte ich zum Thema Ausgliederung im Allgemeinen mehr Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit allen gegenüber an und versuchte dies mit 3 Beispielen zu untermauern:

Beispiel 1:
Im Impulsvortrag wurde stark auf die Jungendarbeit eingegangen und wie man die Erlöse der Ausgliederung dafür verwenden wolle. Im Gegensatz dazu steht in der Unterlage zur außerordentlichen Mitgliederversammlung auf Seite 11, dass man nicht zwangsweise das Eigenkapital der Ausgliederung für die Infrastruktur des Nachwuchsbereichs ausgeben müsse, da man ja nun auch Fremdkapital dafür beschaffen könne. Im Vortrag wurde von der Möglichkeit eines Bankdarlehens für Fußballvereine aber kategorisch abgesehen und diese als schlicht nicht möglich bezeichnet. Ich versuchte – nach einigen Unterbrechungen von Herrn Dietrich gelang es mir auch – die Frage zu stellen, was denn nun korrekt sei: Verwendung (großer Teile) des Eigenkapitals für die Infrastruktur (so wie im Vortrag gepitcht) oder ein Versuch der Beschaffung von Fremdkapital (was im Vortrag noch nicht möglich war, so aber in unserer Unterlage zur Mitgliederversammlung steht)? Als Antwort von Herrn Dietrich wurde mir relativ schnell klar gemacht, wo denn überhaupt mein Problem an diesem entweder oder liege? Entweder wir machen es so oder wir machen es eben anders. Was ich daran nicht transparent fände und nicht verstehen würde, könne Herr Dietrich nicht nachvollziehen. Ok, mmmhh verstehe ich jetzt auch nicht so Recht, aber muss dann wohl an mir liegen, dass ich entweder oder eben nicht einordnen kann?

Beispiel 2:
Herr Dietrich sagte Daimler sei ein strategischer Investor und dass er den Begriff des strategischen Investors im Lauf seiner Rede noch erklären werde. Meiner geschätzten Aufmerksamkeit war das aber entgangen und so fragte ich nochmals nach, ob er mir bitte diesen Begriff nochmals erklären könne, da ich offensichtlich nicht richtig aufgepasst habe. Herr Dietrich führte daraufhin aus, dass der Begriff strategischer Investor in seinem Pitch tatsächlich nicht erklärt wurde, er das nun aber gerne nachhole: Daimler habe eine Vereinbarung unterschrieben, in der erklärt wird ohne Gewinnabsicht zu handeln und dass man keine Absicht habe, in Zukunft die Anteile an den VfB Stuttgart (gegen Einwurf geeigneter Münzen an Daimler) zurückgeben zu wollen. Das Publikum und auch ich nickten wohlwollend und ich musste aber dennoch noch eine Nachfrage stellen. Offensichtlich ist es wohl so, dass der ökonomische Wert des VfB Stuttgart in Liga zwei kleiner ist als in Liga 1 (das weiß vermutlich jeder Grundschüler). Ein Investor mit Gewinnabsicht ist also in Liga 2 nur bereit Anteile an uns zu kaufen, wenn er diese zu einem geringeren Preis als in Liga 1 bekommt. Ich fragte also Herrn Dietrich, wie es bei einem Investor ohne Gewinnabsicht sein könne, dass man falls der VfB leider Gottes in Liga 2 bleiben sollte, dem VfB knapp die Hälfte der für Liga 1 versprochenen Anteile (5% vs. 12%) für ein Viertel (und nicht die Hälfte) des Preises abnimmt (10 Mio statt 40 Mio), also handelt wie ein Investor mit Gewinnabsicht? Als Antwort bekam ich, ist doch ganz klar, wir sind in Liga 2 weniger wert („das bestätigt Ihnen jeder Wirtschaftsprüfer“) und ich weiß gar nicht was Ihr Problem ist? Verstehen Sie das etwa nicht? Häh, hatte ich das nicht in meinen einführenden Worten gesagt und wollte aber darauf hinaus, dass nach meinem Verständnis ein nicht gewinnorientierter Partner eben gerade keine ökonomischen Maßstäbe an den Tag legt? Leider kam ich nicht dazu, diesen Gedankengang gesittet auszuführen, da Herr Dietrich es für wichtiger hielt, mich zu unterbrechen und nochmals festzustellen, dass ich das doch auch verstehen müsse? Satt so eine Diskussion bei der man sich gegenseitig ausreden lässt und einander zuhört, so wie man es zu Beginn seines eigenen Impulsvortrags vollmundig angekündigt hatte

Beispiel 3:
Ich stelle noch eine abschließende Frage nach den restlichen 13%, die man verkaufen wolle und ob die auch an regionale strategische Investoren verkauft werden sollen oder ob hier „KKR“ oder sonst wer zum Zuge kommen darf? Herr Dietrich antwortete, dass man sich damit aktuell noch nicht beschäftige und Schritt für Schritt diese Entscheidung dann angehen werde. (Hattet Ihr nicht einen detaillierten 4-Jahres Plan aufgestellt?). Auf meine Rückfrage, ob es also potenziell jeder sein könne, der halt gerade genug Münzen in der Hand hat, kam ein „Ja, aber man wolle nichts tun, womit wir die Mitglieder verprellen“.
Ich muss zugeben ich war einigermaßen konsterniert oder vielleicht auch ein wenig zu naiv aufgrund der vorherrschenden Diskussionskultur. Mir wurde noch nie gesagt, dass es doch nicht sein kann, dass ich einen Widerspruch nicht verstehe (Beispiel 1) und dass ich Marktzusammenhänge bei einem nicht gewinnorientierten Investor/Partner doch bitteschön dennoch berücksichtigen müsse (Beispiel 2). Krass wie ich als unfähig hingestellt wurde, den Zusammenhängen intellektuell folgen zu können. Und das schlimmste war, dass ein Großteil des Podiums den Eindruck vermittelte: „Aber echt he, was ist denn das für Einer, des musch doch blicka…“

Weitere interessierte Mitglieder fragten nach, ob man wirklich nach 4 Jahren wieder unter den ersten 6 der Tabelle stehen wolle und wie das gehen solle? Daraufhin erwiderte Herr Dietrich, dass ein Großteil der Gelder der Ausgliederung in den Kader investiert würde. (Sollte der nicht in die Jugend investiert werden?). Es gab aber auch (meiner Meinung nach ebenso verständliche) positive Stimmen zur Ausgliederung, die eben den Versuch überhaupt etwas zu tun, würdigten und Herrn Dietrich Ihr Kompliment aussprachen, dass nun endlich darüber entschieden wird. Auch diesen Standpunkt kann ich nachvollziehen.
Schlussendlich beendete Herr Dietrich sein Playdoyer für die Ausgliederung mit der Nachfrage welche Alternative es denn eigentlich gegen die Ausgliederung gäbe? Vermutlich hatte er diese Frage rhetorisch gestellt, aber ich griff nochmal zum Mikro und verlangte einfach weiter hart zu arbeiten, worauf man mir dermaßen ins Wort fiel und mir sagte, dass er (Herr Dietrich) sehr wohl hart arbeite. Sorry, ich habe mit keiner Silbe etwas Gegenteiliges behauptet. Dann beschloss ich Herrn Dietrich ebenfalls ins Wort zu fallen und sagte ihm, dass bei allem Respekt er seit 7 Monaten Präsident sei, Herr Schindelmaiser seit 8 Monaten Sportmanager und wir nun mit diesen Personen eine derart einschneidende Entscheidung zu treffen haben, dass ich gerne einen gewissen track record der handelnden Personen sehen würde, bevor man diese Entscheidung eben trifft. Dass Herr Dietrich von einer „Probezeit“ wie er es dann nannte nichts hält, lies er mich sehr schnell an seiner schnippischen Reaktion wissen.

Und dann war sie vorbei, die Podiumsdiskussion bei der man offen insbesondere auch die Dinge ansprechen wollte, die einem vielleicht unklar sind oder Sorgen bereiten. Ironie des Schicksals ist, dass ich nach Ende der Veranstaltung eine Whats App weitergeleitet bekomme, in der unsere Fanbetreuer dafür werben, dass man am 01.06. doch bitte stets fair bleiben soll und allen Mitgliedern Ihre zustehende Redezeit auch zugestehen soll und sie doch bitte nicht unterbricht. Gilt dieses Credo für unseren Präsidenten dann wenigstens am 01.06. auch?

Was mir nach dieser Diskussion leidlich bewusst geworden ist. Die Abstimmung über die Ausgliederung hat das Potenzial die VfB-Familie tatsächlich zu spalten (auch wenn ich dieses Wort eigentlich nicht benutzen wollte). Egal, wie es ausgeht ist mir eines extrem wichtig: Der VfB Stuttgart ist größer als seine Funktionäre, auch größer als etwaige Investoren oder strategische Partner, denn der VfB Stuttgart, dass sind wir, z.B. alle die wir an diesem Abend in Ehingen waren und uns für unseren VfB interessieren. Also bitte, egal wie es ausgeht: Respektiert die Entscheidung auch wenn es schwer fällt ob pro oder contra.

Ich für meinen Teil sehe in der Ausgliederung insbesondere einen großen Vertrauensbeweis in die handelnden Personen. Es gibt sicher unbestrittene Vorteile der Ausgliederung und des damit einhergehenden Geldsegens und anscheinend keine Nachteile, aber mein Vertrauen in die handelnden Personen ist aufgrund der an diesem Abend an den Tag gelegten Diskussionskultur und der immer wieder ungeklärten Widersprüche zumindest mal nicht größer geworden.

Allez VfB